Die Geschichte der Sammlung
Eine Urkunde von 1337 informiert darüber, dass damals der gesamte Schatz der Habsburger in der Sakristei der Hofburgkapelle verwahrt wurde. Erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts ließ Kaiser Ferdinand I. die Schatzkammer von der Sakristei in ein neu eingerichtetes, unweit des Schweizertores gelegenes Schatzgewölbe verbringen. Nicht alles wurde jedoch dorthin verlagert: Ein Grundstock an Monstranzen und Kelchen, Messgewändern und allerlei Kirchensilber blieb in der Sakristei zurück und in der direkten Obhut des Burgpfarrers.
Gegen 1585 entstand im nordseitigen Areal der Hofburg ein neuer Trakt, in dessen Obergeschoß die Schatzkammer untergebracht wurde. Aus Plänen von 1640/41 erfahren wir, dass es zur Regierungszeit Kaiser Ferdinands II. bereits einen weltlichen und einen geistlichen Teil der Schatzkammer gab, die räumlich aneinander anschlossen.
Das älteste erhaltene, aus dem Jahr 1758 stammende Inventar der Geistlichen Schatzkammer listet nahezu fünfhundert Objekte auf, die in neun Kästen untergebracht waren. Diese mit Glasfronten versehenen Schaukästen aus dunkel gebeiztem Eichenholz hatte Kaiser Karl VI. (reg. 1711–1740) anfertigen lassen. Kostbar mit Juwelen besetzte Reliquiare und Monstranzen sowie emailgeschmückte Hausaltärchen zogen innerhalb des geistlichen Hausschatzes der Habsburger die meiste Aufmerksamkeit auf sich. Während der Regierungszeit Maria Theresias (reg. 1740-1780) konnten die Gegenstände in einer öffentlichen Schausammlung besichtigt werden. Bis zu sieben Personen durften sich die hohe Eintrittsgebühr von 25 Gulden teilen.
Wenig später endete die Besichtigungsmöglichkeit der Geistlichen Schatzkammer abrupt, als nach dem Tod Maria Theresias ihr Sohn, der aufklärerische Kirchenreformer Kaiser Joseph II., im Jahr 1782 den gesamten Inventarbestand der Geistlichen Schatzkammer in die Obhut des Burgpfarrers übergeben ließ. In der Folge vereinigte dieser den Objektbestand der Geistlichen Schatzkammer mit der Ausstattung der einzelnen Hofkapellen. Dieser Geistliche Schatz wurde nun wieder in der Sakristei der Hofburgkapelle untergebracht und blieb dort für die Öffentlichkeit bis zum Ende der Monarchie so gut wie unzugänglich. Nach 1918 wurde im Zuge der Reorganisation der ehemals kaiserlichen Sammlungen die Geistliche Schatzkammer an das Kunsthistorische Museum angeschlossen und administrativ mit der Weltlichen Schatzkammer verbunden.
1921 wurde ein weiterer ehemals habsburgischer geistlicher Schatz mit dem Bestand der Geistlichen Schatzkammer vereinigt: der kaiserliche Schatz bei den Kapuzinern. Das Wiener Kapuzinerkloster war von der Kaiserin Anna, der Gemahlin des Kaisers Matthias, in ihrem Todesjahr 1618 gegründet worden; dem Kloster hatte Kaiserin Anna auch ihre bedeutende Sammlung an kostbar gefassten Reliquien und liturgischen Geräten gestiftet. Um dem Armutsgelübde der Kapuziner gerecht zu werden, sollte dieser geistliche Schatz zwar im Kloster verwahrt, aber weiterhin kaiserlicher Besitz bleiben.
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wurde die Geistliche Schatzkammer in den Räumen der ehemaligen Wohnung des Burgpfarrers aufgestellt. Einer dieser Räume, die so genannte „Alte Geistliche Schatzkammer“, wird heute für Sonderausstellungen der Schatzkammer genutzt. Der Wunsch, die Geistliche Schatzkammer wiederum im räumlichen Anschluss an die Weltliche Schatzkammer zu präsentieren, führte dazu, dass die Geistliche Schatzkammer seit 1954 in jenen historischen Räumlichkeiten aufgestellt ist, die bis zum Ende der Monarchie die Weltliche Schatzkammer beherbergt haben. Der 5. und letzte Raum der Geistlichen Schatzkammer kam anlässlich der Erweiterung und des Umbaus beider Schatzkammern hinzu, die 1986 mit der Neueröffnung ihren Abschluss fanden.